Peter Heidt stimmt für die Widerspruchslösung bei Organspenden
Jedes Jahr sterben und leiden in Deutschland Menschen, weil es nicht genug Spenderorgane gibt. 10.000 Menschen auf der Warteliste stehen nur 1.000 postmortale Spenden gegenüber. Dieser Missstand ist nicht länger hinnehmbar. Deshalb war es gut und richtig, dass sich die Politik des Themas angenommen hat. Am Donnerstag, den 16. Januar stehen zwei fraktionsübergreifende Anträge zur Reform der Organspende zur Abstimmung. Leider verspricht weder der eine noch der andere echten Fortschritt. Der erste lässt pragmatische Lösungsansätze außer Acht und befürwortet im Ergebnis eine Maximalforderung. Der zweite möchte, dass alles mehr oder weniger beim Alten bleibt.
Gesetzesentwürfe zur Organspende
Der erste Vorschlag kommt von einer Gruppe um Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und den SPD-Politiker Karl Lauterbach. Sie fordert, die aktuell geltende Vorschrift, wonach eine Organentnahme nur dann zulässig ist, wenn eine explizite Zustimmung des potenziellen Spenders vorliegt (Entscheidungslösung), durch eine sogenannte doppelte Widerspruchslösung zu ersetzen.
In diesem Modell würde die Spendenbereitschaft der Bürger als „Standardoption“ vorausgesetzt. Wenn jemand nicht proaktiv zu Lebzeiten „Nein“ sagt (oder nach dem Tod dessen Angehörige glaubhaft machen können, dass der Betroffene kein Spender sein wollte), wird dies als „Ja“ gewertet. Im Gegensatz zu heute müsste man also nicht mehr seine Zustimmung, sondern die Nichtzustimmung zur Organspende explizit äußern.
Der zweite Vorschlag wurde von einer Gruppe von Abgeordneten unterschiedlicher Fraktionen eingebracht. Er spricht sich für eine weitgehende Beibehaltung der aktuellen Regeln aus. Den Bürgern soll künftig ein vergütetes Beratungsangebot durch Ärzte zu teil werden und Informationsmaterial soll auch an Ausweisstellen ausgegeben werden.
Argumente für Widerspruchslösung
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Peter Heidt hat in einer Presseerklärung mitgeteilt, dass er der Idee der Widerspruchslösung viel abgewinnen könne. Es gäbe Situationen, in denen es zumutbar sei, wenn von Menschen verlangt werden könne, ausdrücklich „Nein“ zu etwas zu sagen. Das gelte insbesondere dann, wenn durch die Nichtbefassung mit einer Frage andere Menschenleben so unmittelbar betroffen seien, wie im Fall der Organspende.
Auch sei es in unserem Rechtsstaat durchaus üblich, dass „Standardoptionen“ festgelegt werden, die sich an dem orientieren, was die allermeisten wollen oder für richtig halten. Solange dem Individuum die Möglichkeit gegeben sei, anders zu entscheiden, wenn es möchte, ist dies aus liberaler Perspektive vertretbar. Im deutschen Erbrecht sei dies grundsätzlich ähnlich.
So wäre es auch hier: Jeder Mensch bliebe frei in seiner Entscheidung, keine Organe zu spenden. Er müsste diesen Willen nur kundtun.
Verhältnismäßigkeit wahren
Doch gerade das Thema Organspende sei für viele Menschen ein besonders sensibeles Thema. Wenn es um den Körper Verstorbener gehe, bedürfe es daher auch besonders sensibler staatlicher Regelsetzung. Es gehe nicht nur um das berechtigte Interesse kranker Menschen an Spenderorganen. Auch die Selbstbestimmung und das Recht auf körperliche Integrität der potenziellen Spender sei von zentraler Bedeutung.
Angesichts einer Debatte, die in den letzten Monaten von allen Seiten zunehmend undifferenziert geführt wurde, plädiere Heidt für mehr Besonnenheit bei der notwendigen Reform. Für ihn sei hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entscheidend. Es dürfe bei einer Neuregelung der Organspende nicht einfach nur um die Maximierung der Zahl der Spenderorgane gehen.
Eine Widerspruchslösung trifft eine Entscheidung für denjenigen, der sich nicht selbst entscheidet, tangiert also letztlich das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen. Das wäre die Ultima Ratio. Vor ihrem Einsatz muss der Gesetzgeber erst einmal behutsam andere Möglichkeiten ausprobieren.
39 Prozent der Bevölkerung haben ihre Entscheidung für die Organspende schriftlich dokumentiert. Laut einer aktuellen Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Bildung steht die übergroße Mehrheit der Bevölkerung, 84 Prozent, der Organspende positiv gegenüber. Bevor man nun mit der Rasenmähermethode auch diejenigen erfassen würde, die eigentlich gar nicht spenden wollten, müsse man erst einmal alles daran setzen, von denjenigen, die prinzipiell offen für die Organspende seien, dies aber bisher noch nicht offiziell dokumentiert haben, ein Bekenntnis zu bekommen.
Verhältnismäßig sei eine Regelung nämlich dann, wenn kein milderes Mittel zur Erreichung eines Ziels zur Verfügung steht. Gerade für Liberale sei dies ein zentraler Grundsatz. Beim Vorschlag der Gruppe um Jens Spahn seien große Zweifel an der Verhältnismäßigkeit angebracht. Es scheint so, als ginge es vor allem darum, die Zahl der Organspender koste es, was es wolle zu maximieren. Über mildere Alternativen wird nicht mehr nachgedacht.
Keine pragmatischen Ansätze
Dabei hat der Bundestag erst kürzlich mit dem neuen Gesetz zur Organspende eine Regelung auf den Weg gebracht, die geeignet ist, dem Ziel einer vollständigen Deckung des Organbedarfs ein gutes Stück näher zu kommen oder es sogar zu erreichen. Man sollte dieser Neuregelung Zeit geben, ihre Wirkung zu entfalten.
Gleichzeitig macht die aktuelle Gesetzlage Organlebendspenden unnötig schwer und verhindert so, dass Bedürftige lebensrettende Organe erhalten.
Der Gegenantrag zur Widerspruchslösung fordere zwar richtigerweise, die ärztliche Beratung zur Organspende zukünftig zu vergüten und die Aufklärung weiter zu intensivieren. Wenn diese Lösung dann aber bei der Ausgabe von Informationsmaterial, die ja eigentlich bereits stattfinden soll, und beim Aufstellen neuer Computer halt machen würde, sei sie leider nicht viel mehr als eine Alibi-Lösung. Sie würde am Status Quo der schlechten Spenderzahlen nichts ändern. Es entsteht der Eindruck, man wolle der Öffentlichkeit Aktivität lediglich vorgaukeln.
Verbindliche Entscheidungslösung
Leider steht das von Peter Heidt präferierte Modell einer verbindlichen Entscheidungslösung nicht zur Debatte. Dies ist umso enttäuschender, da sich in der Orientierungsdebatte im Jahre 2019 noch eine Vielzahl der Redner eben dafür ausgesprochen hatte.
Bei diesem Modell wären die Bürger verpflichtet, beim Behördengang, etwa bei der Beantragung eines Personalausweises, anzugeben, ob sie Organspender sein möchten oder nicht. Im einzurichtenden digitalen Melderegister könnte man seine Meinung später jederzeit ändern. Wenn jeder Bürger so mit der Fragestellung konfrontiert würde und eine Möglichkeit hätte sich zu entscheiden, ließe sich die Zahl der Spender signifikant erhöhen.
Unstrittig sei, dass dringend ein zentrales online zugängliches Organspenderegister geschafft werden müsse, wie es beide Anträge fordern. Unter Abwägung aller Argumente sei es so Peter Heidt abschließend, richtig im Sinne vieler kranker Menschen für die Widerspruchslösung zu stimmen.