Pakt für die pädagogische Fachkraft
Zu einem Gespräch über Förderschulen und den Fortschritt inklusiver Bildung hat der freidemokratische Kreis- und Landtagsabgeordnete Dr. h. c. Jörg-Uwe Hahn die Wartbergschule in Friedberg besucht. Vor Ort tauschte sich der Ex-Justizminister mit Schulleiter Thorsten Giese und Johannes Altmannsberger vom Staatlichen Schulamt aus. Zentrale Themen waren dabei die Erfahrungen mit der Modellregion Inklusion des Landes, die Zusammenarbeit mit Regelschulklassen sowie der drohende Lehrermangel im Förderschulbereich.
„Unsere Schülerschaft wächst jedes Jahr“, erklärte Giese zu Beginn des Gesprächs. Vor zwei Jahren, bei Hahns letztem Besuch der Wartbergschule, habe sich die Anzahl der in Friedberg unterrichteten Kinder noch auf rund 80 belaufen. „Heute haben wir 95 Schüler. Es handelt sich dabei um Kinder mit Beeinträchtigungen der geistigen und zu einem Drittel auch körperlichen Entwicklung. Um den Bedürfnissen der Schüler gerecht zu werden, arbeiten zu jedem Zeitpunkt mindestens zwei Erwachsene gleichzeitig mit einer Klasse. Wir vermitteln den Schülern nicht nur die reinen Wissenshinhalte, sondern möchten sie vor allem mit den notwendigen Kompetenzen für eine selbstständige Lebensführung ausstatten. Anders als an einer Regelschule ist bei uns der Gang über die Straße zur Sporthalle bereits ein integraler Unterrichtsbestandteil“, so Giese weiter. Besonderheiten wie diese müsse man bedenken, wenn man Schüler mit Förderbedarf inklusiv in Regelschulklassen unterrichte, wie es die Wartbergschule neben dem eigenen Friedberger Lehrbetrieb praktiziert. Elf Lehrkräfte entsende man wochentäglich für den Unterricht an kooperierenden Regelschulen im Wetteraukreis. Die Zusammenarbeit bewertet Giese nach der Erfahrung der letzten Jahre positiv: „Natürlich gibt es immer besondere Anforderungen: Nicht alle Entwicklungsbeeinträchtigungen sind gleich, daher ist der gemeinsame Unterricht nicht für jeden Schüler gleichermaßen geeignet. Eine häufige Gelingensbedingung ist, dass das Förderkind lesen und schreiben erlernen kann – was nur rund ein Drittel unserer eigenen Schülerschaft beherrscht.“ Zudem seien Eltern von Regelschülern bisweilen verunsichert, wie sich die gemeinsame Unterrichtspraxis auf die Lehrqualität insgesamt auswirke. Giese rät den Schulklassen zum offenen Gespräch mit allen Beteiligten und resümiert: „Ich habe ein gutes Gefühl und großes Vertrauen in die Schulen, dass sie die notwendigen Kapazitäten schaffen und eventuell auftretende Probleme lösen. Als Türöffner war die Modellregion Inklusive Bildung dabei ein Erfolg. Die Befürchtung, dass behinderte Schüler die Regelschulen überschwemmen würden, ist unbegründet.“
Ein mögliches Problem sieht Altmannsberger hingegen in den steigenden Bevölkerungszahlen des Wetteraukreises, aufgrund derer man bereits heute eine höhere Anzahl an Lehrkräften einplanen müsse. In Bayern werde aufgrund der Unterversorgung mit ausgebildeten Pädagogen im Förderschulbereich bereits zunehmend auf Erzieher ausgewichen – ein für Altmannsberger längerfristig unhaltbarer Zustand, der im Wetteraukreis zu verhindern sei. Freidemokrat Hahn äußerte hierzu mit Blick auf seine mit dem entstehenden Quellenpark ebenfalls wachsende Heimatstadt Bad Vilbel, dass der Wetteraukreis und das Land Hessen politische Vorkehrungen treffen müssten: „Nach dem Pakt für den Nachmittag sollte ein Pakt für die pädagogische Fachkraft auf der Tagesordnung stehen. Das Problem ist nicht, dass niemand das Förderschullehramt anstreben will, sondern dass es zu wenig Studienplätze gibt. Der oftmals absurd hohe Numerus clausus in den entsprechenden Studiengängen ist ein Symptom dieser Fehlsteuerung von Ressourcen.“ Weiterhin forderte Hahn eine pluralistischere Basisausbildung der Lehrkräfte, um einer sich wandelnden Nachfrage an das Bildungsangebot über die bevorstehenden Jahre entgegenzukommen.