Hilfsfristen sind Nebenkriegsschauplatz

Vertreter der kommunalen FDP trafen sich zu einem Gespräch mit Dr. Reinhold Merbs, unter anderem Fachbereichsleiter für Gesundheit und Ärztlicher Leiter des Rettungsdiensts im Wetteraukreis. Hintergrund der Kontaktaufnahme waren Medienberichte über verfehlte Hilfsfristen bei der rettungsdienstlichen Versorgung im Landkreis. Seitens der Freien Demokraten beteiligten sich am gemeinsamen Austausch die vollständige Kreistagsfraktion bestehend aus Ex-Landesjustizminister Dr. h. c. Jörg-Uwe Hahn, FDP-Bundestagskandidat Peter Heidt und den Abgeordneten Regine Feyl und Elke Sommermeyer sowie der ehrenamtliche Kreisbeigeordnete Wolfgang Patzak.

Gleich zu Beginn stellte Merbs klar, dass die Meldungen über nicht erfüllte Hilfsfristen im Wetteraukreis differenzierter zu betrachten seien: „Die gesetzlich vorgegebenen Hilfsfristen für den Rettungsdienst der Länder variieren im bundesdeutschen Vergleich teilweise erheblich. Hessen gehört mit einer Vorgabe von zehn Minuten zur Spitze, andere vergleichbar große Bundesländer haben sich zwölf oder 15 Minuten zum Ziel gesetzt. Damit die Quote als erfüllt gilt, müssen rund 90% der Rettungswagen innerhalb der festgesetzten 10 Minuten nach Eingang des Notrufs am Notfallort eintreffen. Der Rest sind statistisch zulässige Ausnahmen. Im Wetteraukreis erfüllen wir die Zehn-Minuten-Frist derzeit in ungefähr 86% der Fälle. Von einer defizitären Versorgungslage kann daher nicht die Rede sein. Übrigens brechen wir den notwendigen Erfüllungsanteil schon deutlich, wenn wir nur die elfte Fahrminute mitberücksichtigen.“

Selbstverständlich versuche man Merbs zufolge dennoch stets, die Rettungsabläufe weiter zu verbessern. Man fordere beispielsweise eine schriftliche Rechtfertigung der Rettungswagenbesatzungen an, wenn nach Alarmierung nicht innerhalb von 60 Sekunden das Einsatzfahrzeug starte. Auch die Abdeckungsbereiche der einzelnen Wachen würden jährlich nachgesteuert. Das eigentliche Problem seien Merbs zufolge jedoch die jährlich steigenden Fallzahlen um bis zu 15 % im Rettungsdienst: „Wenn man vom demographischen Wandel und einer geänderten Anspruchshaltung der Menschen einmal absieht, wurden und werden diese im Wesentlichen verursacht durch die Novellierung des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen. In der Folge kommt es zu einer deutlichen Ausdünnung der Notdienstzentralen in Hessen – von zuletzt rund 150 auf 50 – und damit des Versorgungsangebots für medizinische Probleme außerhalb der Öffnungszeiten der Kassenärzte. Im Rahmen des sogenannten Sicherstellungsauftrags der KV müssen die Kassenärzte rund um die Uhr das ganze Jahr für medizinische Probleme der Menschen ansprechbar sein. Dafür wird die KV von den Kassen bezahlt. Als Beispiel kann man die jetzige Notdienstzentrale Bad Nauheim mit circa 100.000 Menschen im Einzugsgebiet nehmen. Vor wenigen Jahren noch wurde die gleiche Region mit Notdienstzentralen in Bad Nauheim, Butzbach, Friedberg, Weckesheim, Karben und Bad Vilbel versorgt. Wo ehemals mindestens sechs Ärzte Dienst taten, sind es jetzt nur zwei. Eine spürbare Konsequenz sind längere Wartezeiten. Und eben diese kürzen viele Menschen über die Notrufnummer des Rettungsdienstes ab, da dort sofort jemand mit Blaulicht kommt.“

Der Rettungsdienst sei für wirkliche, lebensbedrohliche medizinische Notfälle gedacht. Hierfür habe man Fachpersonal und entsprechende Ausrüstung, so Merbs. Und die seien teuer: Jeder Rettungsdiensteinsatz koste gut zehn Mal so viel wie ein Hausbesuch des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes. „Warum Krankenkassen und Aufsichtsbehörden das so hinnehmen, bleibt ein Rätsel. Volkswirtschaftlich ist das eine teure und unsinnige Entwicklung, für die betroffenen Patienten ebenso“, so Merbs abschließend.